Bürokratieabbau durch „samverkan“
Beauftragter für Bürokratieabbau zu Gast in Schweden
06.03.2025

Auf einer dreitägigen Delegationsreise nach Stockholm konnte der Beauftragte für Bürokratieabbau Walter Nussel, MdL Einblicke in Schwedens staatliche Strukturen gewinnen. Schweden, ein Land mit dem Ruf eine schlanke Verwaltung zu haben und eher unbürokratisch zu sein. Schweden als Vorreiter, wenn es um Digitalisierung geht. Was macht das skandinavische Land anders als Deutschland? Wovon kann man lernen und welche Ansätze auch für Bayern aufgreifen? „Ein Blick über den Tellerrand – oder über Landesgrenzen – schadet nie. Man muss nicht immer alles neu erfinden, sondern kann gute Ideen und Verfahren, die sich in anderen Ländern bereits bewährt haben, aufgreifen“, so Nussel.
Delegationsreise der IHK München und Oberbayern
Gemeinsam mit weiteren Teilnehmern war Nussel der Einladung der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern gefolgt, sich in Schweden einen Eindruck über den Umgang mit Digitalisierung und Deregulierung zu verschaffen. Neben seinen Landtagskollegen Markus Saller, MdL und Johannes Becher, MdL, dem Straubinger Oberbürgermeister Markus Pannermayr, Landrat Josef Niedermaier, Bernd Buckenhofer vom Bayerischen Städtetag, Unternehmer Reinhard Scheuermann sowie Vertretern verschiedener Bayerischer Behörden konnte er einen Blick hinter die Kulissen werfen.
Personen-ID als zentrales Zuordnungskriterium
Während in Deutschland für die Interaktion mit Behörden und anderen Stellen oft unzählige, unterschiedliche Karten wie Personalausweis, Krankenkarte und am besten ein dokumentenechter Stift zur Grundausstattung gehören, wird in Schweden auf jede Frage nach dem „Wie“ das Handy hochgehalten. Zentrales Mittel für die volldigitale Abwicklung von Amtsgängen in Schweden sind die Personen-ID – die in Schweden ähnlich der deutschen Steuer-ID mit Geburt zugeteilt wird – sowie die durchgängige Möglichkeit der e-Legitimation z.B. mittels Bank-ID.
Die Personennummer stellt dabei das zentrale Zuordnungskriterium dar. Durch den damit verbundenen Eintrag im Personenregister sind die Bürger automatisch bei allen Behörden in Schweden geführt. Es besteht keine Notwendigkeit, sich in einem Amt gesondert zu registrieren oder diesem gegenüber Personenangaben zu machen. Gepaart mit der e-Legitimation können alle Amtsgänge digital bzw. online via Web oder App vorgenommen und abgewickelt werden.
Die Personennummer wird in nahezu allen Situationen benötigt. Etwa bei Kontoeröffnungen, Wohnungsmiete oder -kauf, Handyvertrag, Kfz-Anmeldung usw. sowie in alltäglichen Situationen wie Mitgliedschaften in Vereinen oder Online-Bestellungen.
Zentrale Datenhaltung schafft Verwaltungsvereinfachung
„Der Umstand eines zentralen Zuordnungskriteriums und die dadurch ermöglichte zentrale Datenhaltung scheint zu einer deutlichen Vereinfachung behördlicher Vorgänge beizutragen. Sowohl für den Bürger und Unternehmer als auch die Behörden wird der Aufwand der notwendigen Datenermittlung, Datenpflege und des Datenaustausches auf das minimal notwendige Maß reduziert. Dieser Ansatz sollte auch in Bayern und Deutschland forciert werden“, findet Nussel.
„In Deutschland wird vor allem für den behördenübergreifenden, aber auch den behördeninternen Datenaustausch stets der Datenschutz als Gegenargument angeführt. Doch auch für Schweden gelten die Spielregeln der EU-Datenschutzgrundverordnung. Dort geht’s, bei uns nicht. Wieso machen wir uns das Leben selbst so schwer?“ äußert der Beauftragte sein Unverständnis.
„Wenn ein Gesetz ein Teppich wäre, so stehen die Deutschen meist in der Mitte des Teppichs. Die Schweden hingegen eher auf den Teppichfransen“, so die anschauliche Einschätzung von schwedischer Seite. Hier will Nussel nach der Reise dringend ansetzten.
Prozessoptimierung durch Digitalisierung und Modellregionen
Die Prozessoptimierung durch Innovation und Digitalisierung bildet in Schweden einen Schwerpunkt. Bereits seit 2001 existiert mit „Vinnova“ ein schwedisches Zentralamt für Innovationssysteme, welches der Delegation seine Arbeitsweise vorstellte. Dabei konnte der Beauftragte Parallelen zu dem von ihm in Bayern etablierten Praxis-Check erkennen. Gemeinsam mit Stakeholdern aus der Praxis werden unterschiedliche Prozesse betrachtet und innovative Optimierungsmöglichkeiten erarbeitet.
Auch das große Potenzial von Modellregionen wurde im Rahmen der Reise eindrücklich anhand der Gemeinde Nacka vorgestellt, welche sich im Laufe der letzten 30 Jahre durch Austesten unkonventioneller Ansätze zu einer echten Vorzeigestadt entwickelt hat.
samverkan – Bürokratieabbau ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Eins wurde schnell klar – bürokratiearme Strukturen bedürfen des Zusammenwirkens aller. „samverkan“- was sich aus dem Schwedischen ins Deutsche mit „Zusammenwirkung, Mitwirkung“ übersetzen lässt – war einer der zentralen Begriffe der Reise.
„Wenn ein Wort wie „samverkan“ eine Delegationsreise zum Thema Bürokratieabbau so durchgängig prägt, dann spricht das Bände für mich. Die Vereinfachung von Prozessen und Anforderungen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die eben dieses „Zusammen- und Mitwirken“ aller Akteure erfordert. Bürokratiearme Prozesse in Schweden basieren elementar auf einer gesamtgesellschaftlichen Mentalität, in deren Grundfesten ein gegenseitiges Grundvertrauen vorherrscht, aus welcher ein hohes Maß der Transparenz resultiert. Sowohl die Bereitschaft der Bürger und Unternehmer, Eigenverantwortung zu übernehmen, als auch die Bereitschaft der Politik und Verwaltung, Verantwortung abzugeben, prägen das schwedische System“, so das Resümee des Beauftragten. „Hieran sollten wir uns ein Beispiel nehmen.“