Zentrale Informationsstelle Direktvermarktung
Direktvermarkter müssen die gesetzlichen Verpflichtungen kennen, sie richtig umsetzen und stets über den aktuellen Sachstand informiert sein. Für kleine Unternehmen mit geringer Personalausstattung sind diese Aufgaben aufgrund der Verteilung der Informationen auf verschiedene Stellen nur schwer umsetzbar. Fehlerhafte Umsetzungen, die z. B. durch Rückbau von baulichen Änderungen zur Erfüllung von Hygieneauflagen oder in Form von Strafzahlungen finanzielle Auswirkungen haben, könnten durch gezielte Informationsbereitstellung im Vorfeld vermieden werden.
Beim Praxis-Check Direktvermarktung, zu dem der Beauftragte für Bürokratieabbau MdL Walter Nussel auf den Betrieb Lampl eingeladen hat, wurde deutlich, dass direktvermarktende Betriebe nicht nur durch die große Anzahl an gesetzlichen Verpflichtungen aus unterschiedlichen Rechtsbereichen belastet sind. Auch die Vielzahl an Zuständigkeiten und Ansprechpartnern in den verschiedenen Ministerien bzw. deren nachgeordneten Behörden bereitet im Informationstransfer in die Praxis Schwierigkeiten.
Deshalb haben Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber und MdL Walter Nussel am 1. Oktober 2022 die Zentrale Informationsstelle für Anfragen zu gesetzlichen Verpflichtungen von Direktvermarktern eingerichtet und in die Geschäftsstelle des Beauftragten für Bürokratieabbau eingegliedert. Ziel der auf drei Jahre befristete Projektstelle war es, ein geeignetes Informations- und Beratungsangebot für Direktvermarkter zu schaffen und als Vernetzungsstelle zwischen Praxis und zuständigen Behörden zu agieren.
Durch den direkten Austausch mit Direktvermarktern – u.a. bei Direktvermarkter-Konferenzen, auf der Grünen Woche in Berlin, bei verschiedenen Veranstaltungen von Verbänden sowie der staatlichen Verwaltung – konnte die Zentrale Informationsstelle aktuelle Fragen aus der Praxis sammeln sowie bürokratische Hürden und Belastungen der Direktvermarkter und des kleinen Ernährungshandwerks eruieren.
Für eine zielgerichtete Zusammenarbeit bei den rechtlichen Regelungen wurde auf Einladung von MdL Walter Nussel die Interministerielle Arbeitsgruppe Direktvermarktung eingerichtet. Die Zentrale Informationsstelle informierte dort über konkrete Anfragen aus der Praxis und erarbeitete gemeinsam mit den Ressorts Erleichterungs- und Verbesserungsmöglichkeiten.
Die Zentrale Informationsstelle hat sich vorrangig mit folgenden landes- und bundesrechtlichen Regelungen und europäischen Themen befasst und involviert:
- Gesetzesentwurf zur Neuordnung der Fleischhygienegebühren, um kleine, regionale Schlachtbetriebe zu unterstützen und die Gebühren zu vereinheitlichen – von der Neuregelung, die am 1. Juli 2023 in Kraft getreten ist, profitieren über 1.500 kleine Schlachtbetriebe in Bayern.
- Erleichterungen im Immissionsschutzrecht für Direktvermarkterbetriebe, die weniger als fünf Werktage schlachten – eine entsprechende Gesetzesänderung wird aktuell evaluiert.
- Im Bayerischen Ladenschlussgesetz (BayLadSchlG) wurde der Vermarktungsweg „Digitale Kleinstsupermärkte“ rechtssicher geregelt und Öffnungszeiten für personallose Verkaufsstellen erweitert.
- Transparente Information über aktuelle Änderungen und Übergangsregelungen, u.a. über die neue Beleg- und Eichpflicht für Milchabgabeautoamten, die für Bestandsautomaten ausgesetzt wurde.
- Aufbereitung der Ausnahmeregelung für Direktvermarkter im Bereich der Nährwertkennzeichnung und Weiterleitung an die Praxis.
- Änderungsanträge zur Novellierung der EU-Verpackungsrichtlinie, um die bürokratischen Belastungen für Direktvermarkter bzw. Kleinstunternehmer so gering wie möglich zu halten.
- Aktuell laufende Bundesratsinitiative mit dem Ziel, die Belegausgabepflicht („Bonpflicht“) für alle Unternehmer mit elektronischem Kassensystem abzuschaffen und durch eine Belegausgabe auf Verlangen zu ersetzen.
Um den Informationsfluss zu den Direktvermarktern noch effizienter zu gestalten, wurde in Kooperation mit dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) die Studie „Direktvermarktung in der Bayerischen Landwirtschaft“ durch die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) initiiert. Kernstück der Studie war eine Online-Umfrage bei Direktvermarktungsbetrieben und ihren Mitarbeitern, um zu eruieren, wie die Zentrale Informationsstelle die bayerischen Direktvermarkter am besten erreichen und zielgerichtet unterstützen kann.
Insbesondere wurde abgefragt, welches Informationsangebot als sinnvoll und nutzbringend erachtet wird. Über 70 % der befragten bayerischen Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter haben sich in der Studie ein digitales Informationsportal zu aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen gewünscht. Die Ergebnisse der Studie wurden in drei Bachelorarbeiten vertieft analysiert und die Anforderungen an das Portal konkretisiert.
In Abstimmung mit den zuständigen Ministerien wurde daraufhin zunächst die Broschüre „Wichtige Rechtsvorschriften in der Direktvermarktung“ des StMELF aktualisiert und im Nachgang die gesetzlichen Verpflichtungen nach Vermarktungswegen und
Vermarktungsprodukten für das Portal aufbereitet.
Das Ergebnis ist das Rechtsportal Direktvermarktung – eine digitale Informationsplattform für Direktvermarkter, die in einer Merkblattreihe einen Überblick über die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen in Bayern gibt. Das DVM Rechtsportal bündelt alle wichtigen Informationen an einem Ort – verständlich, kompakt und praxisnah – und verlinkt die zuständigen Ansprechpartner der Behörden.
Dem Rechtsportal ist eine textbasierte, mandantenfähige Datenbank hinterlegt, so dass die bayerischen Ministerien, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Regelungen und Verpflichtungen, zeitnah selbst im Rechtsportal aktualisieren und erweitern können.
Die Entwicklung und Umsetzung des DVM Rechtsportals ist ein vorbildliches Kooperationsprojekt und das Ergebnis kann als Blaupause für andere Bundesländer und Themenbereiche dienen.