Ernährungshandwerk schlägt Alarm
Beauftragter für Bürokratieabbau lädt Vertreter des Ernährungshandwerks zum Gespräch
03.02.2025

Immer neue Vorschriften, umfangreiche Dokumentationen, fehlende Digitalisierung – die Bürokratie lähmt Deutschlands Unternehmer im Ernährungshandwerk. Verbände fordern jetzt klare Reformen: weniger Statistikpflichten, die Entwicklung branchenspezifischer Leitfäden und die konsequente Umsetzung von Entlastungsgesetzen.
Zentraler Diskussionspunkt beim jüngsten Treffen mit Verbandsvertretern des Ernährungshandwerks war der Vorschlag des Beauftragten für Bürokratieabbau, Walter Nussel, MdL, Notfallpläne für Wirtschaft, Energie, Wohnen und Infrastruktur einzuführen. Sie sollen die Grundversorgung sichern und Prozesse beschleunigen. Auch das Ernährungshandwerk könne davon profitieren, um branchenspezifische Herausforderungen effektiver bewältigen zu können, so Nussel. Eine Bundesratsinitiative zur digitalen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) auf Basis des österreichischem Modells wurde bereits gestartet.
Der Beauftragte forderte einen „Mentalitätswechsel“: EU-Gesetze müssten 1:1 umgesetzt und unnötiges „Gold-Plating“ vermieden werden. Ziel wäre ein Anti-Gold-Plating-Gesetz. Nussel begrüßte, dass auf europäischer Ebene die Notwendigkeit von Praxis-Checks nach bayerischem Vorbild erkannt worden sei und sogenannte „reality checks“ nun auch auf EU-Ebene verbreitet zum Einsatz kommen.
Bei den Statistikpflichten setzt sich Nussel für eine praxisnahe Evaluierung ein, um Optimierungspotentiale zu identifizieren und den konkreten Nutzen und Mehrwert zu analysieren. Darüber hinaus sei es wichtig, bei Berichts- und Dokumentationspflichten standardmäßig einen risikobasierten Ansatz zu etablieren.
Das bayerische Bäckerhandwerk kritisiert die Bonpflicht, die gesetzlichen Vorgaben zu LUCID und DIVID sowie die Arbeitszeiterfassung für Familienangehörige; Datenerhebungen müssten praktikabel und praxisnah bleiben.
Die Konditoren-Innung sieht in der Entwaldungsverordnung der EU eine massive Belastung, da diese erhebliche Auswirkungen auf die Rohstoffbeschaffung hat und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als größter Schokoladenhersteller gefährdet. „Wir müssen zurück zu gesundem Menschenverstand“, so die Vertreterin.
Der Bayerische Müllerbund sieht vor allem Reformbedarf bei der Betriebsstätten-Verordnung und den Dokumentationspflichten. Temperaturkontrollen, Mitarbeiterbelehrungen und sonstige Aufzeichnungspflichten sollten auf das notwendige Mindestmaß reduziert werden, um dem Handwerk wieder mehr unternehmerische Freiheit zu ermöglichen. Zudem wird die mangelnde Digitalisierung und Vernetzung der Behörden als erheblicher Hemmschuh für eine effiziente Betriebsführung angesehen.
Die Fleischerinnung fordert auf Bundesebene ein Statistikmoratorium nach bayerischem Vorbild, um die Belastungen der Betriebe zu reduzieren. Zudem würden die Vorschriften zur Tara-Regelung im Eich- und Messwesen erheblichen bürokratischen Mehraufwand verursachen und sollten dringend überprüft werden.
Die Privaten Brauereien Bayern beklagen den Rückzug der Eichämter. Die Abschaffung der bisherigen „Bierzähler“ im Eichamt sorgt bei den Betrieben für erhebliche Unsicherheiten. „Plötzlich sind Unternehmen selbst für Prüfgeräte verantwortlich“, kritisiert der Verbandsvorsitzende. Auch würde die Cybersicherheit in der Brauwirtschaft an Bedeutung zunehmen, insbesondere im Bereich der digital gesteuerten Druckkessel.
Die vorgebrachten Kritikpunkte und Entlastungsvorschläge des Ernährungshandwerks werden nun in einer Matrix geclustert und aufbereitet – mit dem Ziel, diese auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene entsprechend einzubringen und in Gesprächen mit Verantwortlichen auf konkrete Umsetzbarkeit zu prüfen.