Intensiver Austausch in Brüssel
Beauftragter für Bürokratieabbau plädiert für mehr Transparenz und Praxis-Bezug bei EU-Rechtsakten
05.12.2024
Zum zweiten Mal in diesem Jahr besuchte der Beauftragte für Bürokratieabbau und Vorsitzende des Bayerischen Normenkontrollrats, Walter Nussel, MdL die Bayerische Vertretung in Brüssel, um sich vor Ort mit Vertretern der EU-Kommission auszutauschen und sich für Deregulierung sowie eine bessere Kommunikation und Einbindung der Praxis bei EU-Rechtsakten auszusprechen. Begleitet wurde Nussel von Stephanie Jacobs, Ministerialdirektorin für Europaangelegenheiten und Internationales der Bayerischen Staatskanzlei.
Im Auftaktgespräch mit Michael Wimmer (Direktor für Strategie, bessere Rechtssetzung und Corporate Governance, EU-Generalsekretariat), Kristin Schreiber (DG GROW) und Otto Linher (Senior Expert für REACH, DG GROW) wurden die Ergebnisse des ersten EU-Praxis-Checks in Bayern diskutiert. Schreiber und Linher hatten im Juni diesen Jahres auf Einladung des Beauftragten für Bürokratieabbau am EU-Praxis-Check zum Thema REACH bei der Firma DELO teilgenommen. Wimmer wies darauf hin, dass derzeit auch auf EU-Ebene ein Rahmen für „reality checks“ erarbeitet wird – ähnlich denen von Nussel erfolgreich durchgeführten Praxis-Checks in Bayern. Besonders betont wurde das Ziel, 25 % bis 35 % der Berichtspflichten auf EU-Ebene zu streichen und die Zusammenarbeit mit der Praxis zu intensivieren.
Beim Fachgespräch zur sogenannten NIS-2-Richtlinie (Maßnahmen für ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau in der Union) thematisierte Nussel die Herausforderungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs). Er forderte Leitfäden für die Umsetzung der Mindestanforderungen aus Brüssel und eine transparente Kommunikation der grundlegenden Ziele und Anwendungsbereiche von EU-Rechtsakten, um die Umsetzung zu erleichtern und Akzeptanz zu schaffen.
Am Abend stand die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) im Mittelpunkt einer Diskussion mit Branchenvertretern der Süßwarenindustrie. Nussel sprach die Keynote und kritisierte die Ergebnisse des Trilog-Verfahrens: „Die EU nimmt den Bürokratieabbau nicht ernst genug. Eine zeitliche Verschiebung ohne inhaltliche Anpassungen ist keine Lösung.“
Am Folgetag hob Nussel beim Austausch mit der CSU-Europagruppe – MdEP Prof. Dr. Angelika Niebler, MdEP Markus Ferber und MdEP Stefan Köhler – den sogenannten EU-Notfallplan positiv hervor und plädierte dafür, ein solches Instrument möglichst auf weitere Bereiche der Daseinsvorsorge auszudehnen. Die enge Zusammenarbeit zwischen Bayern und Brüssel wurde von allen als zentraler Hebel für praxisorientierte Lösungen hervorgehoben.
Das Treffen mit den Referentinnen und Referenten der Bayerischen Vertretung in Brüssel war für Nussel besonders wichtig. Aktuelle Dossiers auf EU-Ebene wurden im Hinblick auf drohende Bürokratielasten vorgestellt und diskutiert. Allgemein wurde die Etablierung eines neuen „Frühwarnsystems“ für EU-Rechtsakte betont, um potenzielle bürokratische Belastungen frühzeitig zu identifizieren und aus Bayern gegenzusteuern.
Im Gespräch mit Kai Zenner (Büroleiter MdEP Axel Voss) wurde deutlich, dass die EU-Digitalgesetzgebung oft von mangelnder Koordination und Verzahnung geprägt ist – ein Problem, das insbesondere Start-ups vor große Herausforderungen stellt.
Im Austausch mit Sven Gentner (DG FISMA) wurde auf die Bedeutung freiwilliger Standards hingewiesen, um KMUs im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu entlasten. Auch hier unterstrich Nussel die Notwendigkeit konkreter Leitfäden. Insgesamt sagte Gentner zu, im „Corporate Reporting“ die Hilfestellungen für die Praxis zu intensivieren. Ein „Omnibus-Gesetz“ zur Entlastung in den Bereichen der Nachhaltigkeitsberichterstattung, der Lieferkettensorgfaltspflichten und der EU-Taxonomie wird für Februar 2025 aus Brüssel erwartet.
Im Abschlussgespräch mit Michael Hager (Kabinettschef von Kommissar Valdis Dombrovskis) unterstrich dieser die Bedeutung von EU-Praxis-Checks und bot Nussel an, sich mit seiner Expertise als Partner für die Kommission einzubringen. Die Entwicklung solcher „reality checks“ auf EU-Ebene sei eine von insgesamt 13 aktuell in Abstimmung befindlichen Maßnahmen, um künftig Vereinfachungen auf EU-Ebene spürbar nach vorne zu bringen.
Nussels Fazit seines Brüssel-Besuchs fällt durchaus positiv aus. „Uns ist es gelungen, die für Bayern wichtigen Themen der Deregulierung und Entbürokratisierung zu adressieren und zugleich ein erstes direktes Stimmungsbild nach Neuzusammensetzung der EU-Kommission zu erhalten. Es ist entscheidend, den politischen Druck aus Bayern heraus aufrechtzuerhalten und bei Bedarf zu erhöhen“, so Nussel. „Bürokratieabbau ist keine leichte Aufgabe, aber wir bleiben dran – für eine stärkere Entlastung von Unternehmen und mehr Effizienz in der Gesetzgebung.“
Offen bleibt zum aktuellen Zeitpunkt, mit welchem Ehrgeiz und politischem Druck die EU-Kommission den Bürokratieabbau tatsächlich selbst vorantreiben wird. Eine gewisse Weichenstellung könnte sich im Februar 2025 mit dem angekündigten „Omnibus-Gesetz“ zeigen.